Zum Zentrum gehört unter anderem eine Schule, in der Kinder lesen und schreiben lernen. Direkt nebenan werden Erwachsene fortgebildet, wie man ein eigenes Einkommen erwirtschaftet, beispielsweise durch die Herstellung von Seife und Schmuck oder durch das Schneiderhandwerk. Da durch den jahrzehntelangen Krieg viel Wissen um Agrartechniken verloren ging, lernen die Menschen im großen Gemeinschaftsgarten des Zentrums erfolgreiche Anbaumethoden und nehmen dieses KnowHow wiederum mit in ihre Dörfer - um auch dort die Erträge zu erhöhen. Mit einem Leihservice für Pflugochsen und dem Bau von Energiesparöfen hat Sister Gracy weitere Kniffe gefunden, um das Leben der Menschen nachhaltig zu verbessern.
William Wol profitiert von den Agrarschulungen
Nach dem Ende des Unabhängigkeitskriegs hat sich William Wol in einem kleinen Dorf außerhalb von Wau niedergelassen. „Ohne Hilfsgüter hätten wir nicht überlebt“, schätzt er rückblickend ein. Doch mittlerweile hat sich sein Leben verbessert: „Ich habe mehrere Gärten. Dank Sister Gracy habe ich neues Saatgut erhalten und gelernt, wie ich den Anbau optimieren kann.“ In dem Garten rund um sein bescheidenes Haus wachsen Mais, Tomaten, Auberginen, Sorghum und sogar drei Kokosnusspalmen. Wenn die Regenzeit gut ist, bleibt ein satter Überschuss. „Letztes Jahr habe ich 15 Säcke Erdnüsse geerntet – diese habe ich verkauft und von dem Geld Medizin, Kleidung für die Kinder, mehrere Ziegen und eine Kuh kaufen können“, erzählt William Wol.
William und Mary Wol mit drei ihrer fünf Kinder inmitten des zum Trocknen ausgelegten Sorghums. Durch die Agrarschulungen und das neue Saatgut haben sich die Erträge des Familiengartens vervielfacht.Foto: Philipp Spalek / Caritas international
Auch die Tomatenernte fällt meistens üppig aus, mit ihrem Erlös zahlt er das Schulgeld für seine Kinder. Besonders stolz ist er jedoch auf die fünf Mangobäume, die er für jedes seiner Kinder gepflanzt hat: „Wenn sie groß sind, sitzen meine Kinder unter einem riesigen Mangobaum, von dem sie essen und dessen Früchte sie verkaufen können. Und sie wissen: Den hat mein Papa für mich gepflanzt.“
Dieses Jahr wird die Ernte jedoch nicht so hoch ausfallen wie in den letzten Jahren. „Ein Großteil meines Gartens wurde überschwemmt. Wenn es nicht reicht zum Sattwerden, muss uns Sister Gracy noch ein letztes Mal mit Nahrungsmitteln aushelfen, damit wir unser Saatgut nicht aufessen müssen – denn das setzt einen Teufelskreis in Gang“, sagt er nachdenklich. Er weiß, dass ihn Sister Gracy und ihr Team nicht im Stich lassen werden.
Asunta Aker lernt das Schneiderhandwerk – und träumt von der Zukunft
Gleichmäßig tritt Asunta Aker das Pedal ihrer Nähmaschine. „Sie ist eine meiner besten Schülerinnen – ehrgeizig, konzentriert und unglaublich schnell“, beschreibt ihre Lehrerin Elisabeth Nambuya die 22-Jährige. Asunta Aker wirkt bescheiden: „Ich bin froh, dass ich hier lernen darf. Mit dem Erlös der Dinge, die ich hier während meiner Ausbildung schneidere, kann ich bereits meine Familie ernähren – das macht mich stolz“, sagt sie.
Sister Gracy ergänzt, welch hohen Stellenwert es für die Frauen hat, wenn sie ihr eigenes Geld verdienen. Mit eigenem Geld können Frauen eigene Entscheidungen treffen – zum Beispiel ob und wen sie heiraten, ob sie ihr Kind zum Arzt bringen und vieles mehr. Ohne eigenes Geld seien sie immer dem Willen eines Mannes ausgeliefert, sei es ihr Vater oder ihr Ehemann, erklärt Sister Gracy. Ein Tipp, den Sister Gracy ihren Schülerinnen nach erfolgreicher Ausbildung gibt, lautet daher: „Kauft euch von eurem ersten Lohn zwei Kühe, schenkt sie euren Eltern und sagt ihnen, dass ihr jetzt selbst entscheidet, wen ihr heiratet.“