Seit dem Jahr 2011 kämpfen im Kachin-Staat im Norden Myanmars Befreiungsarmeen gegen Regierungstruppen. Viele Menschen müssen aufgrund der Gewalt ihre Dörfer verlassen und in größeren Städten Zuflucht suchen. Die meisten von ihnen leben in Lagern für Vertriebene. Nahezu 100.000 Menschen sind im Kachin-Staat auf Hilfe angewiesen. Denn die Menschen können ihre Felder nicht mehr bestellen und sich nicht mehr selbst versorgen.
Wege zurück in die Selbstversorgung
Viele der Vertriebenen haben alles verloren. Caritas international hilft ihnen gemeinsam mit den Partnerorganisationen bei der Aufgabe, sich ein neues Leben nahezu aus dem Nichts aufzubauen. Die im eigenen Land vertriebenen Menschen erhalten beispielsweise Nutztiere für eine eigene Viehzucht. Außerdem bekommen sie Saatgut, Schaufeln und andere landwirtschaftliche Geräte, damit sie Gemüse anbauen und ernten können. Eine große Herausforderung dabei ist die Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Fläche. Nicht alle Familien können sich Ackerland pachten.
Mit Hilfe von vertikalen Gärten können die Camp-Bewohnerinnen selbstständig Gemüse anbauen.Caritas international/Philipp Spalek
Vertikale Gärten sind hierbei die Lösung: Mit dem Know-how der verschiedenen Caritas-Organisationen bauen die Familien zum Beispiel Gemüse wie Tomaten und Spinat in übereinander gestapelten Holzkisten an. Andere Menschen in den Vertriebenenlagern bekommen von der Caritas Kleinkredite, um eigene Geschäfte aufzubauen. So konnten einige Familien in ihren Hütten kleine Läden einrichten, in denen sie Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen. Vor allem Frauen werden als Schneiderinnen ausgebildet und bekommen eine Erstfinanzierung für Stoffe und Garn. Damit stellen sie Taschen und Kleidung her, die sie für ihren Lebensunterhalt verkaufen können.
Psychosoziale Unterstützung: Gesprächsangebote für Frauen und Männer
Eine Fachkraft unterhält sich im Rahmen eines Gesprächskreises mit geflüchteten Frauen in einer der Camps.Caritas international/Philipp Spalek
Der Konflikt hinterlässt bei allen Betroffenen tiefe Wunden – körperliche und seelische. Neben der Selbstversorgung sind daher präventive Schutzmaßnahmen und psychosoziale Unterstützungsangebote ein weiterer Bestandteil der Hilfe vor Ort. Dazu gehören zum Beispiel der Bau und die Renovierung von bestehenden Gemeinschaftsräumen. Dort finden Frauen und Mädchen einen geschützten Raum sowie Angebote zur Ersthilfe bei geschlechterbasierter Gewalt wie sexuellen Übergriffen. Geschulte Fachkräfte helfen dort den Betroffenen, das Widerfahrene zu verarbeiten und in angeleiteten Gruppensitzungen durch den Austausch mit anderen Betroffenen neue Kraft und Sicherheit zu finden.
Aber auch Männer benötigen psychosoziale Unterstützung. Viele sind frustriert und fühlen sich nutzlos, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Familie zu ernähren. Für sie bieten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas ebenfalls getrennte Gruppen für Gespräche an, um ihre Erfahrungen mit dem Krieg und das Leiden unter der Vertreibung teilen zu können. Ziel der Angebote ist es, Ansätze zum positiveren Umgang mit ihrer Situation zu finden.
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Hintergrund
Der Bürgerkrieg in Myanmar zählt zu den am längsten dauernden Konflikten der Welt. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und verschiedenen ethnischen Minderheiten wie den Rohingya oder den Kachin begannen kurz nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Die Kachin, eine christliche Minderheit, leben im gleichnamigen Kachin-Staat im Norden des Landes. Nach einer fast zwanzig Jahre andauernden Waffenruhe begannen 2011 in den Regionen Kachin-Staat und dem nördlichen Shan-Staat wieder die Kämpfe. Diese kosteten tausenden Menschen das Leben – unter anderem durch den Einsatz von Landminen.
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass ungefähr 167.000 Menschen in der Region auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Davon sind über 100.000 Menschen Binnenvertriebene, die derzeit wenig Perspektiven auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsorte haben. Mehr als 91.000 von ihnen leben im Kachin-Staat. Fast 80 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Viele Familien haben sich nach ihrer Flucht verloren oder leben in schwer zugänglichen Gebieten. Die Hilfe für diese Menschen ist für internationale Organisationen nicht immer leicht zu leisten.