Eritrea: Überlebenshilfe bei extremer Trockenheit
Karges Land
Die ca. 30-jährige Kokob Kikemarian ist Bäuerin, wie alle Einwohner_innen ihres Dorfes, Adi Hadid. Die Dürre hat eine Ernte nahezu unmöglich gemacht. Philipp Spalek
Eritrea, an der Nord-Ostküste Afrikas gelegen, grenzt an die Länder Djibouti, Äthiopien und Sudan und an das Rote Meer. Zwei Drittel der Bevölkerung leben im klimatisch angenehmeren Hochland. Die Mehrzahl der Eritreer sind Kleinbauern mit gesicherten Landrechten. Allerdings bewirtschaften sie durchschnittlich nicht mehr als einen halben Hektar bis einen Hektar Land. Zudem ist die Landwirtschaft durch den Klimawandel stark beeinträchtigt. Wiederkehrende Dürreperioden betreffen zwei Fünftel der Bevölkerung des Landes. Im Durchschnitt erleidet das Land alle drei Jahre eine Dürre. Die Regenzeit ist schwer vorhersagbar, damit sind der Zeitpunkt der Aussaat und die Ernte unsicher. Schätzungsweise werden nur zwei Drittel der benötigten Nahrungsmittel im eigenen Land produziert.
Heuschrecken, Corona und knappe Ernten verstärken die Ernährungskrise
Somit stellt der allgemeine Mangel an ausreichender und hochwertiger Nahrung für die Bevölkerung ein großes Problem dar. Im Februar 2020 gab UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, bekannt: sechs von zehn Kindern in Eritrea sind mangelernährt. Das ist der schlechteste Wert aller ostafrikanischen Länder. Zudem lastet die völlig unzureichende medizinische Versorgung schwer auf den Menschen, zumal da ein großer Teil unterhalb der Armutsgrenze lebt.
Die Folgen der Dürre von 2019 - vor allem der Mangel an Nahrungsmitteln - werden aktuell durch den Lockdown aufgrund der Corona-Krise noch verstärkt. Wie in vielen anderen Ländern, wurde aus Vorsicht auch in Eritrea das öffentliche Leben eingeschränkt, eine Ausgangssperre ausgerufen und die meisten Geschäfte mussten schließen. Dies hat viele Menschen hart getroffen.
Zudem ist Eritrea zunehmend von der Heuschreckenplage betroffen, unter der die Menschen derzeit in Ostafrika leiden. Die Heuschrecken vermehren sich rasant und fressen Getreidefelder, Sträucher und Wildpflanzen. Für die Menschen in Eritrea dringend notwendige Ernten werden so vernichtet.
Laut Schätzungen des Partners von Caritas international sind aktuell etwa 60 Prozent der Bevölkerung von Nahrungsmittelknappheit betroffen (offizielle Zahlen oder Erhebungen durch humanitäre Akteure sind derzeit nicht verfügbar).
Wie die politische Lage die Versorgung beeinträchtig
Lange Jahre hat der Grenzstreit mit Äthiopien die Versorgunglage der Menschen in Eritrea erschwert. Als nach der Annäherung der beiden Nachbarstaaten im September 2018 vier Grenzübergänge zwischen Äthiopien und Eritrea geöffnet wurden und die Bewohner beider Staaten weitgehend ohne Beschränkung ein- und ausreisen konnten, nutzten viele die Gelegenheit zum Besuch von Familienangehörigen und zum Einkauf in Äthiopien. In Eritrea bildeten sich in einigen Städten "Äthiopische Märkte", auf denen nunmehr Güter erhältlich waren, die seit Jahren von den eritreischen Märkten verschwunden waren. So kostete der Doppelzentner Zement vor der Grenzöffnung in Eritrea auf dem Schwarzmarkt rund 200 Euro, während er in Äthiopien für rund zehn Euro erhältlich war.
Als Eritrea im Dezember 2018 begann, die ersten Grenzübergänge zu Äthiopien wieder zu schließen, spannte sich die Versorgungslage wieder an. Nahrungsmittel und Baumaterialien, die dringend benötigt werden, sind knapp oder überteuert. Im März 2019 wurde die Abriegelung der Grenze immer lückenloser. Viele Eritreer befürchten seitdem ein Ende des politischen Frühlings, der mit der Grenzöffnung zu Äthiopien einherging.
Seit 1991 stellt die Volksfont für Demokratie und Gerechtigkeit, PFDJ, die Regierung. Der Parteivorsitzende, Isayas Afewerki, ist zugleich Staatspräsident und Regierungschef. Neben der PFDJ gibt es zwar eine Reihe anderer politischer Parteien- allerdings ausschließlich in der Diaspora.
Die humanitäre Versorgung ist ein Hürdenlauf
Die Bevölkerung Eritreas ist etwa je zur Hälfte muslimisch und christlich. Die Katholische Kirche ist neben der Orthodoxen, der muslimischen und der evangelisch-lutherischen Kirche eine der vier vom Staat anerkannten Religionen.
Dies ermöglicht ihr auch, Menschen in Not zur Seite zu stehen und die dafür nötigen finanziellen Mittel aus dem Ausland zu beschaffen. Sie ist auf diese Weise unverzichtbar für die Ärmsten der Armen im fünf Millionen Einwohner Land Eritrea, zu dem internationale Nichtregierungsorganisationen und Hilfswerke keinen Zugang haben. Die Zusammenarbeit von Caritas international mit dem Zentralbüro der Katholischen Kirche in Asmara und den vier Diözesen im Land ermöglicht es, einer begrenzten Zahl besonders verwundbarer Familien in akuten Notlagen zu helfen.
Hiwot Fikadu im Gespräch mit einem Mitarbeiter der Katholischen Kirche Eritrea. Die 45-Jährige nimmt an dem Cash-for-Work Programm teil und hat damit einen Zuverdienst. Gemeinsam mit anderen Frauen häuft sie Steine zu einem Wall auf.
Philipp Spalek
Mitte des Jahres 2019 mussten 24 katholische Gesundheitsstationen schließen. Dies war die staatliche Reaktion auf die freie politische Meinungsäußerung hochrangiger katholischer Vertreter im Land. Sie waren in einem Hirtenbrief die aktuelle politische und humanitäre Situation in Eritrea eingegangen. Die Gesundheitsstationen wurden zwar vom Staat übernommen. Allerdings waren viele der leitenden Mitarbeitenden Nonnen, die ohne jegliche Bezahlung dienten. Ein Problem mit den konfiszierten Gesundheitseinrichtungen ist daher, dass das Gesundheitsministerium sie nicht in dem Maße verwalten konnte, wie sie von den Nonnen geleitet wurden.So ist auch die Versorgung mit Medikamenten quasi zusammengebrochen.
Der Militärdienst ist für alle männlichen und weiblichen Schulabgängerinnen obligatorisch. Lediglich die Besten ihres Jahrgangs dürfen sofort studieren und werden nach Abschluss in regierungsnahe Positionen eingebunden. Der obligatorische Militärdienst und die begrenzten Jobmöglichkeiten ist für viele junge Menschen Anlass, außer Landes zu gehen. Die älteren, die zurückbleiben, haben es doppelt schwer.